Quantcast
Channel: Autoindustrie – Ideenwerk BW
Viewing all articles
Browse latest Browse all 61

Steht Comeback der Brennstoffzelle bevor?

$
0
0

Asiatische Marken sind führend bei Wagen mit Wasserstoffantrieb. Die deutschen Hersteller warten noch ab. Experten sehen auf längere Sicht das Comeback der Brennstoffzelle.

Die Zukunft des Autofahrens ist elektrisch – diese Erkenntnis eint mittlerweile Industrie, Politik und Umweltverbände. Die Konzerne planen zahlreiche neue Modelle, die Bundesregierung fördert den Kauf von E-Autos und unter Klimaschützern gilt Elektromobilität als wirksames Mittel zur CO2-Einsparung. Bei all dem stehen batterieelektrische Fahrzeuge eindeutig im Fokus. Brennstoffzellenautos sind dagegen fast aus dem Blickfeld geraten – obwohl sie ebenfalls elektrisch unterwegs sind.

In der Brennstoffzelle reagieren Wasserstoff und Sauerstoff; dabei entstehen Wärme und Strom – der den Elektromotor im Brennstoffzellenauto antreibt. Dieses fährt leise, mit derselben Reichweite wie ein Benziner und – der Clou: Aus dem Auspuff kommt nichts anderes als Wasserdampf. Zwar fördert die Bundesregierung die Technologie seit Jahren, in der öffentlichen Debatte findet die alternative Antriebsart jedoch kaum mehr statt – und in den Plänen der deutschen Autobauer nur noch am Rande.

Toyota und Hyundai machen Tempo

Tempo beim Brennstoffzellenantrieb machen stattdessen asiatische Hersteller. „Toyota ist mit Hyundai zusammen an der Spitze“, urteilt Stefan Bratzel, Leiter des Forschungsinstituts CAM in Bergisch Gladbach. Hyundai sieht sich als Vorreiter, weil der koreanische Autohersteller den Geländewagen ix35 Fuel Cell bereits seit 2013 verkauft. Anfang 2018 soll nach Angaben eines Sprechers bereits die zweite Generation eines Brennstoffzellenfahrzeugs auf den Markt kommen, das dann im Sommer auch in Deutschland angeboten werden soll. Hyundai ist nach eigenen Angaben mit bisher 500 verkauften Brennstoffzellenautos Marktführer in Europa.

Ab 2020 will Toyota jährlich 30 000 Autos mit Brennstoffzellenantrieb produzierenToyota hat vor zwei Jahren das Brennstoffzellenauto Mirai auf den Markt gebracht. Bisher sind davon weltweit rund 4800 Autos verkauft worden, berichtet Manfred Raschner, der in Deutschland für den Vertrieb des Mirai – zu Deutsch „Zukunft“ – verantwortlich ist. Die größten Märkte sind Japan und der US-Bundesstaat Kalifornien.

In Deutschland sollen laut Raschner bis Ende dieses Jahr rund 150 Wagen mit Brennstoffzelle auf der Straße sein. Ein Schnäppchen ist die Limousine mit einem Preis von 78 600 Euro aber nicht gerade. Toyota will den nächsten großen Schritt 2020 machen, wenn in Tokio die olympischen Spiele stattfinden. Dann soll die zweite Generation des Mirai heraus kommen. Bis dahin sollen die Produktionskosten deutlich gesenkt, ein Technologiesprung erreicht und das Comeback der Brennstoffzelle möglich sein.

Reichweite bis zu 1000 Kilometern

Einen Vorgeschmack darauf hat der japanische Autoriese unlängst auf der Tokio Motor Show mit einer Fahrzeugstudie gegeben, die eine Reichweite bis zu 1000 Kilometer haben soll, fast doppelt so viel wie beim aktuellen Mirai. Ab 2020 will Toyota jährlich 30 000 Autos mit Brennstoffzellenantrieb produzieren.

Bei den deutschen Herstellern hat sich Daimler bereits seit Jahrzehnten am stärksten für den Brennstoffzellenantrieb engagiert. Die Markteinführung ist jedoch immer wieder verschoben worden. Nun soll sie nach Angaben einer Unternehmenssprecherin in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres erfolgen. Als Vorserienmodell haben die Stuttgarter im September auf der Frankfurter Automesse IAA den Geländewagen GLC F-Cell ins Rampenlicht gestellt, dessen Batterie auch an der Steckdose aufgeladen werden kann.

Daimlers Engagement für Wasserstoffautos nahm ein jähes Ende

Werner Tillmetz gilt als einer der Pioniere von Daimlers Brennstoffzellen-Forschung. Zwischen Anfang und Mitte der 1990er Jahre leitete der Chemiker – damals noch bei Dornier in der Brennstoffzellen-Forschung für die Raumfahrt tätig – mehrere Projekte für den Stuttgarter Konzern, „Unsere Forschung mündete direkt in die Entwicklung einer Brennstoffzellen-A-Klasse“, erinnert sich Tillmetz.

Das Modell war als Kleinserie in geringer Stückzahl gebaut worden. Auch daran war der heutige Vorstand am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) beteiligt. Dann jedoch fand Daimlers Engagement für Wasserstoffautos ein jähes Ende: Das Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000 sowie die Terroranschläge von New York und Washington am 11. September 2001 zogen auch die Autokonzerne in den Abwärtsstrudel. „Daimler und die auch die anderen Autobauer mussten sparen. Die Brennstoffzellen-Forschung erschien ihnen am ehesten verzichtbar – und wurde auf ein Minimum reduziert“, erklärt Tillmetz.

Comeback der Brennstoffzelle aus dem Dornröschenschlaf?

„Die Technologie verfiel in einen Dornröschenschlaf“, sagt der Professor, und sei schließlich gegen Ende der Dekade von der batterieelektrischen Mobilität abgelöst worden.Mittlerweile arbeitet Daimler wieder am Thema Comeback der Brennstoffzelle – plant aber weiterhin nur eine Kleinserie. „Wir wollen zunächst lernen, das Kundenverhalten testen, um dann im nächsten Schritt mit mehr Autos und einer weiter verbesserten Technologie zu entscheiden, wann der richtige Zeitpunkt ist, um in eine Großserienfertigung einzusteigen“, erläutert Mercedes-Entwicklungschef Ola Källenius.

Auch die Wettbewerber Audi und BMW planen eher vorsichtig. Die VW-Tochter Audi, die konzernweit die Führungsrolle bei dieser Technologie hat, will dem Vernehmen nach 2020 eine Kleinserie auf den Markt bringen, BMW plant 2021 den Einstieg und will dann 2025 größere Stückzahlen anpeilen.

Auch Züge kommen mit Wasserstoff ins Rollen

Batterieelektrische Fahrzeuge sind derweil bereits in Großserien auf dem Markt. Der Internationalen Energieagentur zufolge werden weltweit schon sehr bald mehr als zwei Millionen unterwegs sein. Bis 2020 soll ihre Zahl auf bis zu 20 Millionen steigen.

In die Entwicklung von immer leistungsstärkeren Batterien und damit längeren Reichweiten stecken die Konzerne Milliardenbeträge. Für Tillmetz, dessen Institut sowohl Batterien als auch Brennstoffzellen erforscht, hat die Wasserstoff-Mobilität jedoch ihre Berechtigung. Aufgrund hoher Reichweiten seien Brennstoffzellen, prädestiniert für Lastwagen, Busse und Pkw, die lange Strecken fahren, sagt er.

„Wasserstoff kann zukünftig den Diesel ersetzen.“ Dank dieses Potenzials kommen auch Züge mit Wasserstoff ins Rollen. So hat etwa das Land Niedersachsen kürzlich 14 Loks für den Nahverkehr bestellt. Der Bahnhersteller Alstom und der Gase-Konzern Linde hatten einen marktreifen Brennstoffzellen-Regionalzug entwickelt. Und auf dem Essener Baldeneysee schippern Ausflügler neuerdings mit einem Wasserstoff-Dampfer umher. Viele derartige Projekte teilen jedoch das Schicksal von Brennstoffzellenautos – sie verharren in der Prototypen-Phase und schaffen es nicht in die Serienproduktion.

Ein großer Vorteil von Brennstoffzellenautos ist das Tanken: Es dauert nur wenige Minuten. „Und zwar ohne Einfluss auf die Lebensdauer“, betont Tillmetz – und legt sich fest: „Mit einem Batteriefahrzeug wird das niemals möglich sein.“

Bisher gibt es nur 42 Wasserstoff-Tankstellen in Deutschland

Doch ebenso wie beim E-Auto gibt es das Handicap, dass Wasserstoff-Tankstellen noch sehr rar sind. Das Gemeinschaftsunternehmen H2 Mobility, an dem neben Daimler Gasehersteller und Mineralölfirmen beteiligt sind, will dem abhelfen. Derzeit gibt es 42 Tankstellen in Deutschland, eine davon befindet sich am Stuttgarter Flughafen. Ende des nächsten Jahres sollen es 100 sein, bis 2023 sollen je nach der Entwicklung des Marktes bis zu 400 Wasserstoff-Tankstellen verfügbar sein. Zum Vergleich: Benzin und Diesel gibt es derzeit an rund 14 000 Tankstellen deutschlandweit.

Trotz aller Bemühungen – der Analyst Florian Eichinger vom Beratungsunternehmen IHS Markit erwartet keine schnelle Entwicklung der Brennstoffzelle auf dem Markt: „Sie hat für die Autobauer in der nächsten Dekade nicht Priorität, aber es ist eine interessante Option. Auf längere Sicht hat die Brennstoffzelle durchaus Chancen“, sagt der Antriebsexperte.

Chancen vor allem im Luxussegment

Er sieht die Chancen für das Comeback der Brennstoffzelle vor allem im oberen und im Luxussegment, „wo die Käufer nicht jeden Cent dreimal umdrehen“.CAM-Chef Bratzel führt die derzeitige Zurückhaltung der Autohersteller bei der Brennstoffzelle darauf zurück, dass die Autobauer zunächst einmal die Elektromobilität in Gang bringen und die immer schärferen Grenzwerte für Kohlendioxid in den Griff bekommen wollen.

„Aber auf längere Sicht“, so Bratzel, „ist die Brennstoffzelle nicht aus dem Spiel“. Das Comeback der Brennstoffzelle sei umso wahrscheinlicher, wenn sich die Absatzerwartungen bei den batteriebetriebenen Autos nicht erfüllen sollten oder das Netz der Ladesäulen Defizite aufweisen sollte. „Dann kommt das Thema Brennstoffzelle ab Mitte der 2020er Jahre noch intensiver auf die Agenda,“ sagt der Wissenschaftler voraus.

Der Beitrag Steht Comeback der Brennstoffzelle bevor? erschien zuerst auf Ideenwerk BW.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 61